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Gedanken zum berufsbegleitenden Studieren

Ich war wahnsinnig genug, 3 berufsbegleitende Studien abzuschließen. Nach der HAK-Matura 2002 hieß es, raus aus dem Haus, da gab es keine finanziellen Mittel, um auch noch ein Studium zu absolvieren. Außerdem war ich nach einem Jahr Zivildienst, in der ich bereits Auto, Lebensunterhalt und Wohnung bezahlen musste, deutlich im Minus am Konto. Es galt also, Geld zu verdienen. Ich war daher erst nach einigen Jahr finanziell so stabil, dass ich mir neben meinen Lebenshaltungskosten auch ein berufsbegleitendes Studium leisten konnte.

 

Und so habe ich von 2008 bis 2011 berufsbegleitend Export-orientiertes Management am IMC Krems und gleich darauf von 2011 bis 2013 Europarecht an der Donau-Uni Krems studiert. Beides selbst finanziert und mit viel zeitlichem Einsatz am Wochenende und an langen Abenden. 

 

10 Jahre später erhielt ich von meinem Arbeitgeber Stora Enso als „Abschiedsgeschenk“ zur Schließung meines Standortes in Wien noch die Möglichkeit, ein MBA-Studium an der Donau-Uni finanziert zu bekommen. Der finanzielle Einsatz hielt sich daher für mich in Grenzen, der zeitliche Einsatz war der gleiche wie damals. Denn wie ich lernte, hat sich das „System“ des berufsbegleitenden Studierens in den letzten Jahren nicht verändert. Man liest die entsprechende Pflichtliteratur, geht die vom Lektor erstellten Folien durch, schreibt eine Hausarbeit und absolviert eine Prüfung. Die Note setzt sich dann aus der Benotung der Hausarbeit und der Prüfung zusammen.

 

An dieser Tatsache reibe ich mich, und zwar aus folgenden Gründen:

 

1. Ich bin jetzt über 40 Jahre alt und stehe seit 20 Jahren im Berufsleben. Ich schaffe es einfach nicht mehr, weder körperlich noch geistig, nächtelang Literatur zu lesen und seitenweise Hausarbeiten zu schreiben. Das hat leider auch dazu geführt, dass das Studium 3 Jahre gedauert hat. Aber schneller ging es einfach nicht. Nicht neben Beruf und Familie.

 

2. Es mag mir nicht in meinen Kopf, dass es nach 2 Jahren Pandemie, in denen wir immer wieder zu Hause saßen und Homeschooling, Videotelefonie und Co. ertragen mussten und 10 Jahre nach meinem letzten Studium kein besseres System gibt. Ich weiß zum Beispiel von mir selbst, dass ich am besten lerne, wenn mir jemand etwas erklärt und ich mich mit ihm oder ihr auf Augenhöhe austauschen kann. Das geht weder mit einem .pdf noch mit einem Buch sehr gut. 

 

3. Sollte es in einem MBA-Studium nicht gerade darum gehen, dass sich erfahrene Studierende austauschen und sowohl voneinander als auch von den Dozenten lernen? Ich hätte hier eher eine Diskussion auf Augenhöhe erwartet. Stattdessen gab es das klassische Bild des Vortragenden, der die Studierenden wie Kinder behandelt und bewertet. Ist das noch zeitgemäß?

 

Ich verstehe, dass es Grundlagen geben muss, damit ECTS vergeben werden können, und dass Studieren etwas anderes ist als eine Vorlesung bei Humboldt zu besuchen. Nichts gegen Humboldt, ich habe dort nie einen Kurs besucht, ich bediene nur Klischees. Aber ich mache mir meine Gedanken. Lebenslanges Lernen wird gepredigt, Wissen ist die Ressource Europas. Aber ich vermisse die Taten. Wenn uns als Gesellschaft wichtig ist, dass Lernen nicht nach der Schule zu Ende ist, dann muss es einfach besser gehen als so.

 

Auf jeden Fall möchte ich in den Jahren, die mir auf der Welt noch bleiben, zwei Dinge lernen. Ich möchte die Weinakademie abschließen und ich möchte programmieren lernen. Zum Glück brauche ich für keines dieser beiden Dinge ein Studium, denn ich muss sagen, noch ein viertes Studium zu beginnen – das sehe ich nicht ein. Nicht unter diesen Bedingungen. 

 

Update: 24. Mai 2024:

Gestern fand die Graduierungsfeier am Campus Krems statt. Es war ein sehr schönes, gelungenes Ambiente mit Jazz-Musik und vielen positiven Worten, dass die über 40 Absolventen der MSc und MBA-Programme des Departments für Wirtschafts- und Managementwissenschaften beeindruckendes geleistet hätten. Ich fühle mich jetzt mehrere Monate rückblickend irgendwie versöhnt einen mentalen Abschluss gefunden zu haben und dieses Kapitel meines Lebens jetzt endgültig zu schließen. Das Kapitel der berufsbegleitenden Studien wohlgemerkt, nicht das Kapitel des lebenslangen Lernens. Das bleibt noch hoffentlich bis ins hohe Alter unvollendet.