Ich war Mitte Juli in Köln auf einer Produktschulung. Am Freitag, dem 19. Juli, kam plötzlich ein Kollege auf mich und einen weiteren Kollegen aus Österreich zu und berichtete von einem weltweiten IT-Problem, das auch die Flughäfen betraf. Er fragte, wie wir wohl nach Hause kommen würden. Zunächst blieben wir ruhig, da wir nur mit Handgepäck unterwegs waren, unsere Flugtickets bereits hatten und auch schon eingecheckt waren. Was sollte also schon passieren? Der Flug war für 18:45 Uhr geplant, es war also noch etwas Zeit für etwaige Korrekturmaßnahmen. Wie lange kann so ein IT-Problem schon dauern? Ein paar Minuten später, um 14:04 Uhr, kam dann eine E-Mail: Flug annulliert. Und damit nahm das Chaos seinen Lauf.
Kurzer Kontext: Hintergründe zum CrowdStrike-Vorfall
Der IT-Ausfall, der meine Reise so drastisch beeinträchtigte, war Teil eines größeren, weltweiten Problems, das durch ein fehlerhaftes Update der CrowdStrike-Software verursacht wurde. CrowdStrike ist ein Anbieter von Cybersicherheitslösungen. Durch das Update kam es weltweit zu massiven IT-Ausfällen, die durch ein fehlerhaftes Update der Sicherheitssoftware CrowdStrike Falcon verursacht wurden. Das Update führte dazu, dass Windows-Systeme abstürzten und nicht mehr hochfuhren. Betroffen waren Millionen von Geräten, darunter Systeme in Flughäfen, Banken, Krankenhäusern und Unternehmen. Auch die Fluglinie Eurowings war offenbar betroffen, mit der ich nun mal fliegen wollte.
Kommunikationsversagen und Irrfahrten
Nachdem es keinen weiteren Flug aus Köln gab, fuhr uns ein Kollege mit seinem Auto zum Flughafen Düsseldorf in der Hoffnung, dass wir dort noch einen Flug erwischen könnten. In der Zwischenzeit erhielt ich folgende E-Mail von Eurowings:
Liebe Fluggäste,
aufgrund einer globalen Störung eines IT-Unternehmens kommt es in vielen
Bereichen des öffentlichen Lebens zu Beeinträchtigungen, darunter auch im weltweiten Luftverkehr.
Leider sind auch wir betroffen, weshalb wir Ihren Flug leider annullieren
mussten. Wir bitten Sie von einer Anreise zum Flughafen abzusehen. Durch diese Störung sind aktuell all unsere Systeme betroffen, weshalb wir Ihnen weder am Flughafen noch online oder im
Callcenter eine Umbuchung anbieten können.
Sobald die Störung behoben ist, werden wir versuchen Sie nach
Möglichkeit auf einen anderen Flug umzubuchen. Sollten Ihnen in der Zeit Kosten entstanden sein, dann reichen Sie uns bitte Ihre Belege über unser Kontaktformular ein.
Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an einer Lösung und bitten um Verständnis,
dass wir Ihnen aktuell nicht alle Fragen beantworten können.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Eurowings Kundenbetreuung
Ich finde es „toll“, dass der Dienstleister, der mich nach Hause bringen soll, mir klar zu verstehen gibt: „Kontaktiere uns nicht, wir können dir nicht helfen, du bist auf dich allein gestellt.“ Wirklich großartig. Am Flughafen Düsseldorf herrschte tatsächlich auch Chaos. Mittlerweile läuft ja alles ohne Personal, nur noch mit Self-Service-Automaten, die in diesem speziellen Fall natürlich gar keine Hilfe sind. Es gibt aber noch die Reisebüros mit ihren Schaltern vor Ort. Die gehören zwar nicht zu Eurowings, aber an wen sollten wir uns sonst wenden? Denn bei Egencia, dem Reisebüro, über das ich die Reise gebucht habe, erfahre ich in der App ebenfalls, dass keine Unterstützung möglich ist.
Am Ticketschalter eines Reisebüros (nicht bei Eurowings, da ist ja niemand mehr) buchte uns ein Mitarbeiter auf einen Morgenflug am nächsten Tag um. Den Abendflug mit Austrian Airlines konnte er nicht mehr buchen – der war voll. Auf meine Frage, was denn passieren würde, wenn das Chaos bei Eurowings am nächsten Tag nicht beseitigt sei, zuckte er nur mit den Schultern und meinte, das sei unmöglich. „Wenn das länger als einen Tag dauert, dann hätten die ganz andere Probleme. Das gibt es nicht.“
Also ab ins Flughafenhotel und warten auf den nächsten Tag. Abflug 7:05 Uhr! Beim Abendessen hatte ich Probleme mit einer Kreditkarte, und ich konnte den ganzen Abend auf der Eurowings-Seite nicht für den Morgenflug einchecken. Immerhin sah ich noch auf Flightradar, dass das Flugzeug um Mitternacht aus Prag landete. Das war zumindest etwas, aber es blieb ein mulmiges Gefühl, als ich mich für ein paar Stunden Schlaf niederlegte.
Ein neuer Tag, das gleiche Chaos
Früh am nächsten Morgen fanden wir am Flughafen ein komplettes Chaos vor, mit fünf Urlaubsfliegern, die allesamt nicht einchecken konnten oder nur deutlich verzögert eingecheckt wurden. Wir versuchten, über die Automaten einzuchecken, doch das funktionierte, wie von mir erwartet, nicht. Wir gingen nun zur Kofferaufgabe, wo jedoch wegen der vielen Urlaubsflieger Chaos herrschte. Der Mitarbeiter fand uns auch nicht im System und erklärte, dass es hier von Eurowings niemanden mehr gibt. Er sei vom Flughafenpersonal, und wir könnten es höchstens beim Lufthansa-Schalter versuchen.
Also wieder anstellen. Die Dame am Schalter erklärte, sie könne nichts für uns tun – es sei ein Eurowings-Buchungscode und sie sei nicht zuständig. Auf meine Frage, was wir jetzt machen sollten – immerhin hatten wir schon zwei Flüge gebucht – schlug sie vor, einen dritten zu buchen. „Das wäre das Beste.“ Nochmal danke. Mir reicht's jetzt; ich buchte über die Egencia-App einen Mietwagen bei Sixt und ging hinunter. Das schien endlich zu funktionieren.
Aber zu früh gefreut: Die Buchung konnte der nette Herr bei Sixt nicht finden, und ich rief bei der Egencia-Hotline an, die natürlich kostenpflichtig ist, weil außerhalb der Arbeitszeit. Es ist ja Wochenende und anscheinend reist man da nicht. Der Mitarbeiter, der mir zugewiesen wurde, meinte, er könne die Buchung sehen und der Sixt-Mitarbeiter kenne sich nicht aus. Das half mir allerdings nicht, weil der Sixt-Mitarbeiter den Autoschlüssel hatte. Also stornierte ich die Buchung und der wirklich sehr hilfsbereite Mann am Schalter bucht uns einen VW T-Cross für die Fahrt bis nach Schwechat.
Die Kosten lagen statt bei 400 EUR, wie die nicht erkannte Buchung vorschlug, nun bei 660 EUR. Kleine Anekdote noch dazu: Neben uns am Schalter stand der ehemalige Formel 1 Weltmeister Mika Hakkinen, der an die Côte d’Azur wollte und meinte, dass es „dort oben“ (Anm. der Sixt-Schalter ist im Untergeschoss vom Flughafen Düsseldorf) Chaos herrsche und er jetzt gerne mit dem Auto fahren möchte, allerdings ohne Reservierung. Wir waren also nicht allein mit unserer Idee.
Die lange Heimreise
Also lagen über 10 Stunden Autofahrt durch Deutschland vor uns, mit dreimal Stau und ewigem Warten beim Tanken, weil sehr viele Niederländer und Autos mit UK-Kennzeichen ans Meer wollten und zwischendurch auch mal tanken bzw. wohl eine österreichische Vignette kaufen mussten. Ein toller Samstag, vor allem, weil ich auch noch die Geburtstagsfeier meiner Tochter in Grafenegg verpasste. Die war nämlich an diesem Samstag, als ich gerade irgendwo in Deutschland im Stau stand. Das war ein ziemlicher Tag zum Vergessen. Haftbar für den ganzen Mist ist Eurowings übrigens nicht, denn wenn der Flugausfall auf ein technisches Problem des Flughafens zurückzuführen ist, entfällt laut EU-Fluggastverordnung die Haftung der Fluglinie.
Kritische Reflexionen und Lehren
Und dann gibt es noch ein paar Dinge, die ich mich jetzt rückblickend frage:
Wieso bitte wird dieses Update an einem Freitag ausgerollt? Mir hat mal ein ITler gesagt, dass es eine wichtige Regel gibt: "Never make updates on a Friday." Hat man sich da wohl nicht dran gehalten?
Dieses ganze "Roboter, die unsere Arbeit machen," sehe ich extrem kritisch. Funktioniert alles, wenn es funktioniert, aber es gibt kein Krisenmanagement mehr, denn dafür muss man flexibel reagierende Leute vor Ort haben, die es nicht mehr gibt. Und sobald irgendwo irgendwas nicht wie am Schnürchen läuft, heißt das automatisch, dass Chaos herrscht.
Bis heute hat sich weder Eurowings noch Egencia bei mir wegen der Rückreise gemeldet. Im System müsste ich eigentlich noch als in Köln gestrandet verzeichnet sein, da mein Rückflug storniert wurde und keine neue Buchung ab Köln erfolgte. Eine automatische Umbuchung wäre das Mindeste gewesen, was ich erwartet hätte. Alternativ - und hier kommen wir wieder zum Thema Krisenmanagement - hätte ich zumindest einen Anruf erwartet, sobald die Situation unter Kontrolle war. Man hätte nachfragen können, ob noch eine Umbuchung nötig sei oder ob ich bereits selbst eine Lösung gefunden hätte. Doch nichts dergleichen ist geschehen.
Letzte Woche hatte ich wieder eine Dienstreise vor mir und hätte wieder mit Eurowings fliegen können, mit einem erneuten Rückflug am Freitagabend. Am nächsten Tag hatte meine Frau ihren 40. Geburtstag. Was soll ich sagen, ich fuhr 2000 km mit dem Elektroauto. Das war die sichere Variante.
Quellen:
https://www.derstandard.at/story/3000000229624/millionenschaeden-nach-it-stoerung-warum-der-pannentag-jahrelange-prozesse-ausloesen-koennte?ref=rss
https://www.puls24.at/news/digital/grund-fuer-it-ausfall/337522