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Fragen wir das Volk

Ich komme soeben von der Volksbefragung in Österreich. Gefragt wurde dies:

a) Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres ODER

b) sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?

Bei dieser Befragung gibt es einiges, was mich sauer macht und wozu ich mich mit einem Beitrag im sonst unpolitischen Blog äußern möchte:

  1. Die obige Frage ist keine Entweder-Oder-Frage. Was ist, wenn ich für die Einführung eines Berufsheeres bin, aber ein freiwilliges unbezahltes Sozialjahr will? Oder für ein Berufsheer mit verpflichtendem - bezahlen oder auch unbezahlten - Sozialjahr? Was kreuze ich da an? Die obige Abstimmungsfrage zeigt die Meinung zweier politischen Parteien, deckt aber nicht mal ansatzweise die möglichen Meinungen zu diesem Thema ab. Wer eine konkrete Antwort haben möchte, muss auch die entsprechenden Antwortmöglichkeiten bieten.
  2. Nicht nur Antwortmöglichkeiten, sondern auch Konsequenzen sollten klar erklärt werden. Hinter der Frage steht zum einen ein ganz neues Modell, wie in Österreich die Landesverteidigung gestaltet werden soll (Antwort a), aber auch bei der zweiten Möglichkeit (Antwort b) soll die Wehrpflicht und der Zivildienst neu gestaltet werden. Aber was ganz fehlt ist das Konzept und die Konsequenzen hinter beiden Varianten. Sprich: Wenn ich für Antwort a) stimme, was kostet so ein Berufsheer mehr und wie viel bezahlen wir den “Freiwilligen”, die doch dann für Geld arbeiten sollen. Und wenn wir diese bezahlen, dann wäre das dann doch ein Job, oder? Ist der dann sozialversichert? Wenn ja, was passiert, wenn sich Nicht-Österreicher für so einen bezahlen Sozialjob bewerben?
    Wenn ich für Antwort b) stimme weiß ich lediglich, dass sich mal schlimmstenfalls gar nichts ändert, oder das ein neues Konzept kommen soll, wie Zivildienst und Wehrpflicht aussehen soll, das man aber erst erstellt, wenn man weiß, dass Antwort b) für die Bevölkerung überhaupt in Frage kommt. Tja Huhn oder Ei, was war zuerst sag ich da nur.
  3. Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben beide versprochen, dass die Volksbefragung umgesetzt wird, egal wie sie ausgeht. Nur, was ist jetzt, wenn die Wehrpflicht abgeschafft werden soll, also wenn die Mehrheit für Antwort a) stimmt. Die Wehrpflicht ist im Artikel 9a Absatz 3 und 4 der Bundesverfassung geregelt.

(3) Jeder männliche Staatsbürger ist wehrpflichtig. Staatsbürgerinnen können freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen leisten und haben das Recht, diesen Dienst zu beenden.

(4) Wer die Erfüllung der Wehrpflicht aus Gewissensgründen verweigert und hievon befreit wird, hat die Pflicht, einen Ersatzdienst (Zivildienst) zu leisten.

Sprich, die Verfassung müsste geändert werden. Das geht in Österreich bei einfachen Verfassungsgesetzen wie diesem mit 2/3 Mehrheit, dies haben aber weder SPÖ und ÖVP, auch nicht gemeinsam. Sie verfügen also gar nicht über das politische Gewicht so eine Aussage zu treffen.

  1. Das Mittel der Volksbefragung wird aus meiner Sicht schlicht und ergreifend dazu missbraucht sich vor der Verantwortung zu drücken. In meinem Beitrag “Herrschaftsformen für Organisation” erklärte ich unter anderem die unterschiedlichen “Herrschaftsformen” und warum die Republik geschaffen wurde. Wer nicht den ganzen Text lesen möchte, hier die entsprechende Stelle:

Aus diesem Grund wurde auch die Republik als Staatsform angedacht. Es entscheiden immer noch alle, aber nicht unmittelbar, sondern indem indirekt die Entscheider gewählt werden. Wir als Volk wählen unsere Abgeordneten und geben ihnen dadurch das Recht die (unbeliebten) Entscheidungen zu treffen, die wir als Gesamtheit nicht treffen würden, die aber die richtigen für uns als Organisation (in diesem Fall Volk) sind.Dieser Theorie zufolge, finde ich die aktuellen Forderungen nach mehr direkter Beteiligung der Bevölkerung interessant, da dies so interpretiert werden kann, dass die gewählten Volksvertreter die Entscheidungen, für die sie legitimiert wurden, nicht treffen können oder wollen und dies wäre nach der oben erklärten Theorie zufolge ein klarer Rückschritt. (und in der Privatwirtschaft würde dies meiner Meinung nach übrigens einer Arbeitsverweigerung gleich kommen).

Mit der Volksbefragung ist jetzt aus meiner Sicht genau das passiert; ein Rückschritt, eine Arbeitsverweigerung der gewählten Volksentscheider. Offenbar wollen unsere gewählten Volksvertreter im Bund ihren Job nicht machen.

 

Was in der Privatwirtschaft bei Arbeitsverweigerung passiert weiß ich, man wird aus dem Unternehmen entfernt. Ich bin gespannt, was in der Politik passiert.